Ballett von Terence Kohler
Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf / Duisburg 2015 / 16
Bühne _ Verena Hemmerlein
Kostüme _ Louise Flanagan
Fotos _ Dieter Leistner, Gert Weigelt, Probenfotos Verena Hemmerlein












Pressestimmen
b.26 – ONE DEUTSCHE OPER AM RHEIN
„b 26 /ONE“ – Tanznetz.de – 17.01.2016 – Marieluise Jeischko
Große Bandbreite bei b.26
(…)
So unterschiedlich die Handschriften des Dänen August Bournonville, des Engländers Antony Tudor und des in Deutschland künstlerisch groß gewordenen Australiers Terence Kohler auch sind: dem Tanz auf Spitze huldigen sie alle.
(…) „One“ hat Terence Kohler seine neue Choreografie auf Brahms 1. Sinfonie genannt. Intensiv hat er sich mit der vielschichtigen, komplexen Struktur des Werkes auseinander gesetzt und das Ensemble an der Umsetzung seiner Ideen in Gesten und Schritten beteiligt.
Verena Hemmerlein hat auf die Hinterbühne ein Gebilde aus hohen, kantigen Elementen wie ein unüberwindliches Gebirge gestellt. Diesen Koloss gilt es zu bezwingen. Marlucia do Amaral nimmt den Kampf als Erste auf. Bebend, zitternd, sich biegend und staksend kämpft sie sich vor, hämmert wild gegen den Fels, nimmt später Vorsprünge einer Kletterwand zu Hilfe – erfolglos. Die Einzelkämpferin bleibt gefangen im Chaos der widerstreitenden Masse Mensch, wo „Walküren“ eine ganze Legion „gefallener Helden“ einsammeln. Im zweiten Satz schält sich aus der allgemeinen Tarnkleidung (Kostüme Louise Flanagan) – ein strahlendes Liebespaar: Anne Marchand und Boris Randzio. Yuko Katos überbordend lebensfrohes, energiegeladenes technisch unglaublich geschmeidiges Solo zum heiteren Allegretto dürfte in die neuere deutsche Tanzgeschichte eingehen.
„b 26 /ONE“ – Niederrhein Nachrichten – 17.01.2016 – Heiner Frost
b.26 – alles ist möglich
Vielleicht beginnt man am Ende (…) Die Zielgerade von b.26 : Terence Kohlers „One“ – eine Art Reinigungsballett, das sich traut Brahms‘ Musik unbetanzten Raum zu lassen – gleich zu Beginn und später zum Finale. Am Ende taucht die Ahnung auf, dass ein Choreograph die Töne zurück an ihren Ursprung schenkt – die Klänge kehren zur Bühnenherrschaft zurück. Eine große Geste nach einem großen Tanzerlebnis, denn genau das ist „One“. (…)
Man hat es bei vielen Ballettabenden der Deutschen Oper am Rhein erlebt. Man weiß: Das Bleiben lohnt sich. Die Belohnung: Terence Kohlers „One“. Eine virtuose Ausleuchtung des brahmschen Kosmos, die am Ende auch Schmerzgrenzen auslotet. (…) Ein Dasein in Gefangenschaft.
Die Bühne: Eine Einschränkung. Tonlosgrauer Beton türmt sich ins Unüberwindbare.
Viel Düsternis. Auch den Wahnsinn meint man zu spüren – ein Wahnsinn, der noch vom Mahler herüberzuwehen scheint. (…) Auf der Bühne: Betäubtes Personal – mechanischpuppenhaft zum Leben angeleitet. Selbst die Massenszenen verspitzen ein Gefühl von betongrauer Einsamkeit, aus der letztlich nur Töne Entkommen bieten.
„One“ wird zum fast unerträglichen Befreiungsakt, an dessen Ende die gesamte Compagnie über eine Leiter aus der Szene klettert und verschwindet. (…) Lange fragt man sich, ob sie in die Befreiung oder in eine andere Knechtschaft gestiegen sind. (…)
b.26: Einer dieser Mehrwertabende, die lange im Hirn bleiben und Nachdenken anrichten. Einer dieser Abende an denen Schläpfers Truppe zeigt, dass sie alles können und dass alles möglich ist.
„b 26 /ONE“ – Online Music Magazin – 30.01.2016 – Stefan Schmöe
Sie sind dann mal weg, die Tänzer…
(…)
Wenn der Vorhang sich (erst nach einigen Takten, in denen die Musik für sich spricht) öffnet, trippelt Marlucia do Amaral unter höchster Anspannung auf eine Mauer aus riesigen monolithischen Betonquadern zu, prallt ab, versucht es erneut. Es wird ein Ringen gegen diese Mauer sein, die das Werk durchzieht, und das düstere Bühnenbild von Verena Hemmerlein ist schon sehr eindrucksvoll. (…). Einen Sturm in verschiedenen Phasen hat Kohler sich vorgestellt, und Wolkenformationen hat Kostümbildnerin Louse Flanagan auf die eng anliegenden, knappen und teilweise wie zerfetzt wirkenden Kostüme drucken lassen. Entsprechend lässt Kohler das Ensemble entfesselt über die Bühne wirbeln. (…) Aber es gibt ganz große Momente, zwei faszinierende, sehr gegensätzliche pas de deux etwa: Anne Marchand und Boris Randzio verschmelzen zu einer androgynen Einheit, ganz im Gegensatz zu Chidozie Nzerem und Marlúcia do Amaral, die geradezu miteinander kämpfen, bis die Tänzerin gebrochen wird und wie eine leblose Puppe an Nzerem hängt. Und Yuko Kato hat den entspannt-heiteren dritten Satz un poco allegretto e grazioso ganz für sich, ein phänomenales Solo von phasenweise kindlicher Unbeschwertheit.
Mit dem Finalsatz allerdings verärgert Kohler Teile des Publikums (…) Eine Leiter wird hereingetragen, und zum Hauptteil dieses Finalsatzes steigt einer nach dem anderen über die erste Mauer hinweg ins Ungewisse (…) Tatsächlich hat dieses offene Ende mit dem Weg ins Ungewisse einiges für sich (…) Auf der anderen Seite kann man das offene, unbefriedigende Ende als adäquate und keineswegs unpassende Geste eines „wir wissen nicht weiter“ verstehen, das in der Tat gerade in die Zeit passt. So bleibt der Schluss ambivalent. (…)