Stadttheater Fürth 2016/17
Regie _ Tobias Sosinka
Bühne und Kostüme _ Verena Hemmerlein



Fotos _ Prof. Dieter Leistner, Thomas Langer


Pressestimmen

ONLINE MERKER    12. Juni 2016

FÜRTH: DER HELD DER WESTLICHEN WELT VON JOHN MILLINGTON SYNGE

von Werner Häußner

(…)

Was passiert in John Millington Synges ur-irischem Schauspiel  „Der Held der westlichen Welt“?  Christy Mahon, in Tobias Schormanns Erscheinung am Theater Fürth ein schmächtiges Handtuch, der zunächst auftritt, als sei er gar nicht da, erzählt fast beifläufig, er habe seinem Vater mit einem Spaten den Schädel gespalten. Für die Bewohner der einsamen Küste Mayos im Nordwesten Irlands ist die Geschichte eine ersehnte Abwechslung und das ideale Futter ihrer Lust am Fabulieren.

Der Erzähler findet sich rasch verklärt zum Helden, kreischend und kichernd umschwärmt von einer überdrehten Teenager-Trias. Aber auch erhoben zum attraktiven Ziel der Zuneigung der frustrierten Wirtstochter Pegeen, die ihren Verlobten (…) nur zu gerne der selbstgewissen Korrektheit seiner religiös verbrämten und moralisch überhöhten Pragmatik überlässt. Christy Mahon, der aus der Lust an fiktiven Welten geborene Held, wächst mit der Rolle. Er kann es zunächst kaum fassen, wie er in den Mittelpunkt rückt – bis er seine neue Funktion so verinnerlicht hat, dass er zum Helden der dörflichen Wettspiele wird. Das geht gut, bis unvermittelt der angeblich erschlagene Vater auftaucht…

Die Inszenierung von Tobias Sosinka kreist bis dahin eher unbeschwert in den Sphären einer schrägen Komödie. (…)

Zu wenig scheint durch die Figuren hindurch die Tristesse, die Verena Hemmerlein in ihrem atmosphärisch treffenden Bühnenbild einfängt: Die herbe, karge graugrüne Landschaft Mayos, die man lieber bereist als bewohnt, umschließt eine Hütte mit halbtransparenten Wänden. Sie ist eines der entlegenen alten Pubs, die den Touristen so malerisch vorkommen, die aber bei genauem Hinsehen Zeugen der Depression und nicht selten der Verwahrlosung sind: verlebtes Interieur, Bierfässer, ein Kasten mit einer LED-Laufschrift als skurril zeitgenössisches Objekt mitten zwischen Hinterlassenschaften, die vermutlich schon den 1916er Osteraufstand gesehen haben.

Privat oder intim bleibt in diesem Ambiente nichs. Und so wird schnell offenbar, dass der „Held“ ein Maulhelb ist. Das Tragische ist, und das zeichnet Sosinka genau nach, dass seine ehrliche Liebe mit seiner geradezu mythischen Rolle verbunden ist – untrennbar.

Synges Stück wird im Programm als Komödie bezeichnet, ist aber, wenn überhaupt, eine mit viel traurigem Beigeschmack. Die Sprache hebt die Menschen immer wieder über sich selbst hinaus: Wenn Christy und Pegeen Sätze und Bilder kreieren, die aus der poetischen Sphäre Shakespeares genommen sein könnten, wenn sie in den blumigen Reichtum des Gälischen verfallen , (…) behauptet das Stück für die Gefühle und Gedanken seiner Menschen eine erhabene Größe und Exemplarität. Tobias Sosinkas Inszenierung in Fürth hat diesen Aspekt nicht vernachlässigt und Synges „Playboy“ damit über die Komödie und den irischen Hintergrund hinausgeschoben.


NORDBAYERISCHE ZEITUNG                  06.06.2016

Dieser Held wird am Tresen geboren

von Karin von Matuschka

Der Held wird nicht geboren, zum Helden wird man gemacht. (…)

Als theatralischer Evergreen wird das Stück „Der Held der westlichen Welt des irischen Dramatikers noch immer auf die Bühnenbretter geschickt. (…) So auch in Fürth, wo Regisseur Tobias Sosinka das Fundstück unters dramaturgische Mikroskop legt.

Und schon bald ist klar: Spuren von Zeitgenössischem lassen sich tatsächlich unschwer nachweisen. Frustration und mangelnder Selbstwert lässt die Menschheit schnell mit dem wohligen Schauer des Skandalösen ihre Helden in Bravo-Starschnitt Manier zusammenkleistern. (…)

In Fürth hebt sich der Bühnenvorhang und gibt den großformatigen Panoramablick frei auf eine irische Heide- und Klippenlandschaft mit Dorf-Pub (…). Der Blick auf das Bühnenpersonal ist hart auf deren Charaktere und vor allem deren jeweiliges Geschlecht getrimmt.

Frauen sind entweder mit rauer Schale und weichem Kern ausgestattet oder schrille Groupies (…) oder geben gar die gewiefte Männermörderin.  Auch die Männer streben nach Ideal und Instant-Idolen und bewegen sich (…) irgendwo zwischen „Softie“, Macho“, personifiziertem Kneipeninventar und Bauernschläue.  Gemein ist allen: der Hauch von Verlierertum. Christie, der sich, den Vatermord hochstapelnd, zu neuem Selbstwert aufschwingt und den Laden gehörig aufmischt, wird trotz seiner Enttarnung als Einziger „Irgendwie-Sieger“ von der Bühne abtreten.

Sosinka zelebriert das rasante Spiel solide, mit sanftem Komödienpinselstrich, nah dran an der irisch-katholischen Volksseele (…)

Ein unterhaltsamer, boulevardesker Ansatz mit einem motivierten Ensemble, Kurzweil und ohne krampfhafte Provokationsgelüste. (…)


NÜRNBERGER NACHRICHTEN           06.06.2016

LUST AN DER SENSATIONSGESCHICHTE

von Katharina Erlenwein

(…)

Was macht einen Helden aus? Machen ihn die zum mutigen Mann, die seiner Geschichte lauschen, oder die unerhörte Tat an sich?  (…)

Christopher „Christy“ Mahon ist cool. Denn er ist a) in dem kleinen irischen Kaff, in das er völlig abgerissen taumelt, ein Unbekannter und b) einer, der seinen ewig zeternden Vater umgebracht hat. Reicht das, um zum Star zu werden? In John Millington Synges Stück „Der Held der westlichen Welt“ (gemeint ist der Westen Irlands) reicht es so leidlich, denn irgendwie sind hier alle scharf auf Sensationsgeschichten. Schließlich passiert ja sonst nichts, auf ein Besäufnis während einer Totenwache wird schon hingefiebert, als wär’s das Volksfest.

(…)

Vor großem Prospekt mit eindeutig irischer Landschaft (Ausstattung: Verena Hemmerlein) und zur Musik von – logisch – U2 lernt man katholisch-irisches Landleben kennen. Pegeen ist die Tochter des Kneipenbesitzers, muss sich der lästigen Eheanträge des wohlhabenden Bauern Shawn erwehren und auch der Langeweile (…)

Da kommt ihr der schmuddelige Jüngling gerade recht, der auf der Flucht vor der Polizei bei ihr Unterschupf sucht und die Geschichte vom Vatermord erzählt. Sibille Helfenberger und vor allem Tobias Schormann als Christy spielen mit Temperament und Präsenz. Christys Tat spricht sich rum wie ein Lauffeuer (…)  Christys Selbstbewusstsein wächst, seine Geschichte erzählt er jedes Mal ein bisschen brutaler.

Dumm nur, dass dann der vermeintlich erschlagene Vater auftaucht. (…)