Mainfrankentheater Würzburg Philharmonisches Orchester Würzburg
Uraufführung 11. Mai 2024
Choreografie _ Robert Glumbek, Dominique Dumais
Musikalische Leitung _ Enrico Calesso
Bühnen- und Kostümbild _ Verena Hemmerlein
Licht _ Ingo Jooß
Sound Design _ Davidson Jaconello



Fotos _ Nik Schölzel


Main-Post         –         13.05.2024         –         Elke Tober-Vogt

Ekstatischer Jubel für Ballettpremiere „Eros“
Doppelinszenierung der Choreografen Robert Glumbek und Dominique Dumais in der Blauen Halle

Würzburg. Dieser Abend hatte es in sich: Die Ballettcompagnie des Mainfranken Theaters präsentierte als „impressioniste Reise“ gleich zwei Neuschöpfungen, die sich dem titelgebenden Begriff „Eros“ auf sehr unterschiedliche Weise nähern. Das Zauber-, Rausch- und Märchenhafte der Gesamtkonzeption, zu der nicht unwesentlich auch Bühnen- und Kostümbildnerin Verena Hemmerlein und das fabelhaft musizierende Philharmonische Orchester unter Enrico Calesso beitrugen, löste beim Publikum in der Theaterfabrik Blaue Halle tumultartigen Jubel und Standing Ovations aus. 

Gastchoreograf Robert Glumbek und Ballettdirektorin Dominique Dumais erzählen von Liebe Sehnsucht Leidenschaft, Anziehungskraft und vielfältigen menschlichen Beziehungen.

Es kommt eine unglaubliche Energie von der Bühne

Glumbek, von Kanada aus international als Tänzer und Choreograf tätig, platziert sein Werk, „As above so below“ zunächst in die antike Götterwelt und verbindet diese gleichzeitig mit dem Weltall: Vor blauem Hintergrund lässt er Jupiter, Juno, Mars, Merkur und Venus mit den namensgleichen Himmelskörpern auftreten.

Farbstark leuchtende Planetenbälle liefern die Verankerung, die Götterfiguren umkreisen sich gehen unterschiedliche Beziehungskonstellationen ein, ordnen sich immer wieder aufs Neue, berühren sich und stoßen sich wieder ab. 
Zu Karel Szymanowskis „Symphonie concertante No. 4“ beweist Glumbek atmosphärisches wie dramaturgisches Fingerspitzengefühl. Sinnlich fügen sich Tänzer und Tänzerinnen mit der Musik zu einem Ganzen, begeben sich vor schimmernder Morgenstimmung schwerelos ins magnetische Umfeld menschlicher Beziehungen, um dann als flirrende Gruppe, gekleidet in zartes Nichts, in einer Sternenstaubprojektion zu entschwinden. 

Dumais verknüpft im zweiten Teil Claude Debussy „Prélude à l’après-midi d’un faune“, Maurice Ravels „Pavane pour une infante défunte“ und „Boléro“ durch elektronische Sounds von Davidson Jaconello. Pulsierende Atemgeräuse stehen hier für Leben, und wenn die Tanzcompagnie als Ganzes pulst, atmet und zuckt, kommt eine unglaubliche Energie von der Bühne. 

Nicht ein männlicher Faun ist es, der zu Debussys Musik erwacht: Dumail lässt gleich fünf Tänzerinnen ihre weibliche Kraft in der Sexualität finden. Sie lösen sich aus großen Stoffbahnen mit üppigen floralen Motivprojektionen, werden auch von diesen wieder verschluckt – ein faszinierender Effekt. Schließlich bringen die Tänzerinnen in schwül-roter Umgebung aus dem Schoß ihrer hautfarbenen, mit feinen Blütenranken bedruckten Bodies fünf Tänzer hervor, Pärchen suchen und finden sich, rollen über den Boden, verschwinden im wallenden Vorhang. 

Zum Schluss Ravels „Boléro“. Vor einer großen Blütenprojektion wirken die Tanzenden wie indische Tempeltänzer im Wechsel mit zuckendem Leben. Die Tänzerinnen kosten verführerische Gesten aus, die Tänzer trumpfen mit großzügigen Bewegungen auf. Alles strotzt nur so vor Sinnlichkeit und Lust. Schließlich rauscht  zum musikalischen Höhepunkt eine riesige rote Stoffbahn übers Publikum, gefolgt von einem Tauchbad roten Lichts  alles ist Eros, und die Reaktion des Publikums ist pure Ekstase.


Bayerische Staatszeitung         –       17.05.2024           –         Renate Freyeisen

Liebe, körperliche und seelische Anziehungskraft, erotische Begierde und sinnliche Lust: All das kann Eros ausdrücken – in der Antike ein Wesen zwischen Gott und Mensch. Im Ballett Eros von Dominique Dumais, kombiniert mit einem Tanzstück von Robert Glumbek, werden in der Blauen Halle des Würzburger Mainfranken Theaters durch Bewegungen, Farbstimmungen und impressionistische Kompositionen vielfältige Facetten der körperlichen und geistigen erotischen Erfahrung und der zwischenmenschlichen Beziehungen spürbar gemacht. Die Musik wird unter der Leitung von Enrico Calesso vom Philharmonischen Orchester mitreißend gespielt.

Die Atmosphäre wird gesteigert durch die ästhetisch beeindruckende Ausstattung von Verena Hemmerlein.

Göttliche Liebesspiele

Der vierteilige Ballettabend beginnt mit der Choreografie As above so below des polnisch-kanadischen Tänzers Robert Glumbek. Sie spiegelt den antikenGötterhimmel in mythologischen Figurenkonstellationen. Die griechischen Göttinnen und Götter, hier Verkörperungen der Planeten, scheinen in ihren wechselnden Liebesbeziehungen und in ihrem erotischen Begehren vergleichbar den Menschen, die letztlich zu den Sternen aufschauen. Das alles wird begleitet von variierenden Hintergründen und ist untermalt von der Symphonie concertante von Karol Szymanowski.

Streben zu einem Ganzen

Die folgenden Tanzteile, choreografiert von Würzburgs Ballettchefin Dominique Dumais, werden eingeleitet durch einen Prolog zu einem Sounddesign von Davidson Jaonello: Man hört Atmen – ohne das kein Leben. Symbolisiert wird das durch ein Bild eines ursprünglichen Menschseins: zwei eng aneinandergebundene Tänzer, die schließlich geteilt werden aber immer wieder zueinander streben, damit sie ein Ganzes sind. 

Alles Folgende geschieht vor üppigen dunkelroten Stoffbahnen, auf die ab und zu florale Formen projiziert sind. Fünf Tänzerinnen in hautfarbenen Bodys mit pflanzlichen Applikationen entdecken in weichen, weiten Bewegungen und Streckungen ihre kreatürliche Lebendigkeit zu den Klängen von Debussys sinfonischer Dichtung Prélude à L’après-midi d’un Faune: Sie werden ihrer erotischen Kraft gewahr, und in ihrem sexuellen Erwacheng gesellen sich zu ihnen fünf Tänzer in dunkelroten Hosen, stacheln in wilden Bewegungen ihre Begierde an.

Das impressionistische Klavierstück Pavane pour und infante défunte von Maurice Ravel wirkt wieder ruhiger, scheint in der Erinnerung an erotische Stimmungen und Momente zu schwelgen: Man sieht  schmiegsame Pas de deux, gleitende Hebefiguren und zärtliche Umarmungen. Aber dann leitet ein gemeinsames, lautes Ausatmen des Ensembles Marice Ravels Bolero ein, der sich immer mehr entfaltet, antreibt zu gesteigerter Schnelligkeit, zu Öffnungen, Weitungen, engen Kreisen und Ketten: Es wird immer wilder, überstrahlt durch rotes Licht – bis die roten Stoffbahnen sich lösen und auch das Publikum davon erfasst wird. Eine unglaublich starke Leistung des gesamten Ensembles für das der lange jubelnde Beifall mehr als verdient war.