Theater Augsburg 2012/13
Choreographie _ Regina van Berkel, Can Arslan, Douglas Lee, Stéphen Delattre, Maurice Causey
Ausstattung _ Verena Hemmerlein
Fotos _ Nik Schölzel
Pressestimmen
Süddeutsche Zeitung 15. Januar 2013, Eva-Elisabeth Fischer
Tänzerische Suche nach „Heroes“ in Augsburg
Augsburg- Eine Frau hält den Abend zusammen. Es ist Verena Hemmerlein, die Ausstatterin. Sie hat die von allen Seiten einsehbare Spielfläche der Brechtbühne Augsburg ebenso schlicht wie effektvoll gestaltet, so dass die fünf Kurzchoreografien des Abends wie die organisch ineinander fließenden Aufzüge eines homogenen Ganzen erscheinen. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass man als Zuschauer interessiert bei der Stange bleibt.
Ein goldener Schrein also öffnet sich zu einer Mondlandschaft und versinkt dann in schwarzer Finsternis. Zäsur. Vorhänge werden ums dreiseitige Bühnen-Karree gezogen, die sich schließlich in der Mitte türbreit über einem Stück Himmel und einer gülden glänzenden Müllhalde samt entlaubtem Baum davor öffnen. Jedes dieser Bilder trägt in seinen einfachen Elementen passsgenau zur Stimmung der jeweiligen Choreografie bei. Hemmerlein ist also, wenn man will, die Heldin dieses von fünf Choreografen aufgefächerten Programms mit dem von Ballettchef Robert Conn gesetzten Titel „Heroes“.
(—) Dann erlebt man Regina van Berkels Eröffnungsstück „Daily Hero“ als Gesellschaftspanorama: Ein Laufsteg der Eitelkeiten posierender Edelpunks führt den heutigen Tanz ums Goldene Kalb voller tanzhistorischer Bezüge vor. Die Tänzer tragen stilisierte Barockkostüme in Jeansstoff, zerdehnen und verschrauben Ballettposen. Schon daran und noch mehr in den synkopierten Schlenkern, den plötzlichen Stopps, erkennt man den Einfluss William Forsythes. Bei ihm hat Van Berkel lange getanzt . Dennoch hat „Daily Hero“ seinen ganz eigenen Duktus. Es überrascht dann umso mehr, als sich das goldene Portal öffnet und Mädchen in weißen Batisthängerchen ihre Partner finden für atmosphärisch dichte Duette unter ab- und zunehmendem Mond, also gleichsam im An- und Abschwellen imaginierter Gezeiten. Choreograf Can Arslan dachte in seinem Stück „Isis“ an die ägyptische Göttin dieses Namens, während sein englischer Kollege Douglas Lee in seinem Quartett „Chimera“ nach der Visualisierung des monströsen Fabeltiers trachtet. Seine vier schwarzmaskierten Tänzer entfalten, lediglich als Schemen vor dem Bühnenhintergrund zu erkennen, einen düster schillernden Gespenstertanz.
a3 kultur 11. Januar 2013, Renate Baumiller-Guggenberger
Heldenhafte Impressionen
Premiere des Ballettabends Heroes – Heldenmythen im Tanz im Theater Augsburg_brechtbühne
Ballettdirektor Robert Conn hatte sich mit dem aktuellen Ballettprojekt Heroes viel vorgenommen. Vorneweg: Der Ehrgeiz hat sich gelohnt! Auf der gut einsehbaren brechtbühne durfte das beeindruckte Premierenpublikum die bekanntermaßen großartigen Tänzer endlich wieder hautnah miterleben. Das Konzept des Abends verlangte den distanzlosen Blick und die Nähe, um unmittelbar und emotional einzutauchen in ein kontrastreiches Heldenmythen-Mosaik. Bewusst pausenlos konzipiert dauete dieser Ballettabend nur 80 Minuten, die wie im Flug vergingen und dennoch inhaltlich so intensiv ausgeprägt waren, dass Heroes lange nachhallte.
Die von Conn engagierten Gast-Choreografen Regina van Berkel (Daily Hero), Can Arslan (ISIS), Douglas Lee (Chimera), Stephen Delattre (A Suspended Moment of Vulnerability) sowie Maurice Causey (Peace Pilgrim) reflektierten das komplexe Thema mit der zeitlichen Vorgabe von jeweils 15 Minuten. (…)
Ebenso kreativ wie professionell agierte die Ausstatterin Verena Hemmerlein, die jedem Werk passend zur choreografischen Botschaft eine ganz eigene Optik verlieh. Geschmackvoll verflocht sie Transparenz, Sinnlichkeit sowie Lyrik mit den Möglichkeiten der Bühne, um mit dramaturgisch und optisch reizvollen Verbindungsachsen (unterstützt vom Videodesigner Michael Titze) die fünf Choreografien zum getanzten Gesamtkunstwerk zu vereinen.
Einmal mehr profilierte sich die junge Augsburger Company und stellte ihr enormes technisches Niveau unter Beweis. Keine leichte Aufgabe für die 14 Tänzerinnen und Tänzer (…) die sich in fliegendem Wechsel auf die intensive physische Verkörperung der unterschiedlichen Tanzstile der fünf Choreografen einlassen mussten, um den Interpretationen heutigen Heldentums gerecht zu werden.
Augsburg Journal Februar 2013, wis
Heldenhaft
HEROES auf der Bühne
Heldenhaft getrieben gleiten grazile Körper durch diese Nacht – dem Publikum bleibt nicht mehr als zu schauen, zu staunen und in sich hineinzufühlen. Selten zuvor ließ ein Ballettabend so viel Raum für Assoziationen, schenkte Inspiration, Phantasie und bewahrte sich – in aller Abstraktion – Anmut, Bescheidenheit und Eigenästhetik. Heroes – Heldenmythen im Tanz nennt sich das kleine Wunder auf der Brechtbühne, das in fünf experimentellen wie ausdrucksstarken Choreografien Premier feierte und nach gut einer Stunde Jubeltiraden auslöste.
Was war geschehen? Das Augsburger Ballett bewies einmal mehr Perfektion auf höchstem Niveau, Sensibilität für thematische Umsetzung und köperhaftes Miteinander; Kurzum, es sprang der Funke über in reduzierter, indes klar definierter Optik (Ausstattung: Verena Hemmerlein) – Bravo!
In Regina van Berkels Daily Hero sprüht das Ensemble in Jeans-Couture auf Spitze reinste Neoklassik. In Isis von Can Arslan flüchten sich die Tänzer vor zunehmener Mondsichel in heimatlose Einsamkeit und finden doch zueinander. Packend: Ana Dordevic und Patrick Howell, die hier experimentelles Tanztheater in intimer Zweisamkeit zum Besten geben.
In Douglas Lees Chimera kämpfen vier Tänzer in schwarzen Catsuites mit Maske roboterhaft, wie elektronisch angetrieben miteinander: stilisiert die Bewegungen, die Musik kongenial, ein Mix aus Flöte und Electro. A Suspended Moment Of Vulnerability von Stéphen Delattre assoziiert zu Chorälen aus dem Off mit diabolischem Außenseiter eher Christentum und Teufel denn Impfstoff und Virus, wie laut Leporello beabsichtigt.
Peace Pilgrim von Maurice Causey bildet den irdischen Abschluss mit Streetdancern vor einer platischen Müllhalde und lässt Janet Sartore als Friedensaktivistin glänzen. Tosender Applaus, Bravos und Getrampel für diese heldenhafte Compagnie!